
Erste Hilfe am Arbeitsplatz – Gesetzliche Anforderungen und praktische Umsetzung
Ein Arbeitsunfall oder ein medizinischer Notfall kann jederzeit eintreten. Unternehmen in der Schweiz sind daher verpflichtet, geeignete Massnahmen zur Ersten Hilfe bereitzustellen. Die rechtliche Grundlage dafür bildet Art. 36 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3). Die Details sind in der Wegleitung nachzulesen.
Gesetzlicher Rahmen: ArGV 3, Artikel 36
Gemäss ArGV 3, Art. 36 müssen Arbeitgeber:
- Erste-Hilfe-Massnahmen sicherstellen, die den betrieblichen Verhältnissen angepasst sind.
- Betriebsmittel zur Ersten Hilfe (z. B. Betriebsapotheke) bereitstellen.
- Eine genügende Anzahl ausgebildeter Ersthelfer vorhalten.
Diese Anforderungen orientieren sich an den konkreten Gefährdungen und der Unternehmensgrösse.
Inhalt einer Betriebsapotheke – Wasgehört rein, was nicht?
Eine Betriebsapotheke (Verbandskasten) soll folgendes beinhalten:
- Sterile Wundauflagen, Pflaster, Verbandpäckchen
- Dreiecktücher, Fixierbinden
- Einmalhandschuhe
- Beatmungshilfe (z. B. Einwegmaske)
- Augenspülflasche (bei chemischen Gefährdungen)
- Notfall-Checkliste oder Erste-Hilfe-Anleitung
- Schere, Pinzette
Wichtig: Es dürfen keine Medikamente (z. B. Schmerzmittel) in derBetriebsapotheke enthalten sein. Dies aus haftungsrechtlichen und medizinischen Gründen, ausgenommen es ist ausgebildetes medizinisches Personal vor Ort bzw. es wurde mit einem Mediziner eine schriftliche Vereinbarung getroffen.
Normen und Standards für Betriebsapotheken
Folgende Normen sind in der Schweiz anerkannt, müssen jedoch nicht eingehalten werden:
- DIN 13157 – kleiner Verbandkasten, geeignet für kleine Betriebe (< 10 Personen, Büro)
- DIN 13169 – grosser Verbandkasten, für grössere Betriebe oder Arbeitsplätze mit erhöhter Gefahr
- Suva-Empfehlung für mobile Erste-Hilfe-Koffer, z. B. in Bauunternehmen, Montagebetrieben oder auf Fahrzeugen
Umsetzung in der Praxis – Unternehmensgrösse und Gefährdungen
Die Erste Hilfe ist risikobasiert zu planen. Mögliche Beispiele:
1. Kleinunternehmen mit tiefem Risiko (z. B. Treuhandbüro, 5 Mitarbeitende)
- 1 Betriebsapotheke nach DIN 13157
- 1 ausgebildete Ersthelferin
- Erste-Hilfe-Poster sichtbar aufhängen
2. KMU mit mittlerem Risiko (z. B. Schreinerei mit 25 Mitarbeitenden)
- 2 Betriebsapotheken, eine im Werkstattbereich, eine im Bürotrakt
- Apotheken in jedem Fahrzeug
- Ausbildung von mind. 2–3 Ersthelfern gemäss IVR Stufe 1, auf jeder Baustelle mindestens ein Ersthelfer
- Regelmässige Nachschulungen alle 2 Jahre
- Augenduschen bei Chemikaliengebrauch vor Ort
3. Grossunternehmen mit erhöhtem Risiko (z. B. Bauunternehmung, 150 Mitarbeitende)
- Zentrale Erste-Hilfe-Station
- Mehrere mobile Erste-Hilfe-Koffer nach DIN 13169
- Sanitätsraum mit Liege, Waschbecken, Augendusche
- Ausbildung von betrieblichen Sanitätern (IVR Stufe 2 oder höher)
- Einbindung in das betriebliche Notfallkonzept
Rolle der KAMUs und Verantwortung der Betriebe
Jedes Unternehmen muss über ein Konzept zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz (KAMU) verfügen. Die Erste
Hilfe ist ein integraler Bestandteil davon. Die Verantwortung liegt klar beim Arbeitgeber. Eine Gefährdungsbeurteilung gemäss EKAS-Richtlinie 6508 bildet die Grundlage.
Weiterbildung und Schulung: Nachhaltige Sicherheit
Mitarbeitende sollten regelmässig in Erster Hilfe geschult werden:
- Ersthelferkurse: Mind. alle 2 Jahre auffrischen
- Spezialkurse: Herz-Lungen-Wiederbelebung (BLS-AED), Umgang mit Verbrennungen, Blutungen
- Sensibilisierung für psychische Erste Hilfe
- Schulungen als Teil der Arbeitssicherheitsstrategie und Notfallvorsorge
- Evakuation
Fazit
Erste Hilfe ist mehr als ein Pflaster. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben und schützt Leben. Eine durchdachte Umsetzung – abgestimmt auf Risiken und Unternehmensgrösse – schafft Sicherheit und Vertrauen. Unternehmen, die auf Ausbildung, Ausrüstung und Prävention setzen, handeln verantwortungsbewusst und gesetzeskonform.
Hilfsmittel
Merkblatt Augenduschen